Donnerstag, 22. November 2012

Teresa Geisler im Blog "Theater to go"


Annes Schweigen im Theater unterm Dach



Regie: Ron Rosenberg
Schauspiel: Bea Ehlers- Kerbekian

Das Bühnenbild ist eine Installation. In dem großen leeren Raum vor einer weißen Leinwand ist ein umgestürzter Tisch am Boden, ein anderer schwebt im Raum, durch Fäden und Seile sind sie verbunden; miteinander, mit dem Raum, mit der Decke. Sie teilen und verbinden die Zwischenräume, in welchen sich die Protagonistin bewegt. Dogan Akhanh erzählt die Geschichte von der Türkin Sabiha, die in Deutschland aufwächst und sich einer türkisch-nationalistischen Gruppe anschließt, um ihrem Land nah zu sein. Wie sie beim Tod der Mutter zwischen deren Brüsten ein armenisches Kreuz tätowiert findet und ihr Leben zerbricht. Der Monolog beginnt mit der Stimme der besten Freundin Sabihas, die versucht die andere zu verstehn. Wenn ich an Anne denke, sehe ich am Himmel die Kraniche kreisen.Schließlich erzählt Sabiha selbst, um das Schweigen Ihrer Anne (türk. Mutter) zu brechen. Sabiha spielt mit den Fäden, sie teilt den Raum wieder und wieder aufs Neue, sie bindet sich fest, sie schneidet sich ein, sie singt mit ihnen. Ich habe gehört, dass es Kraniche gibt, die jedes Jahr um dieselbe Zeit an verschiedenen Orten in die Luft steigen, um in dieselbe Richtung zu fliegen. Sie wollen das Meer überqueren, um auf der anderen Seite zu landen. Wenn sie über das Meer fliegen, beginnen sie immer über derselben Stelle zu kreisen, bis sie aus Erschöpfung ins Meer hinabstürzen Kranichforscher haben die Stelle entdeckt, an welcher die Kraniche sterben. Sie soll die alte Heimat der Kraniche sein, bevor das Land auseinander gegangen und an dieser Stelle das Meer entstanden ist. Es ist ein ruhiger, ästhetischer Abend mit einer beeindruckenden Schauspielerin (Bea Ehlers-Kerbekian), der nachdenklich macht. Sicher ist es auch ein politischer Abend. „Wir brechen das Schweigen, wo es angefangen hat“, steht im Programmheft und anschließend finden Podiumsdikussionen mit Traumatisierungspezialistinnen (mein Vorschlag für das Unwort des Monats) oder Historikern statt. Für mich ist es vor allem ein Abend, der sehr eindrucksvoll die Geschichte einer zerbrochenen Identität erzählt und buchstäblich schön anzusehen ist. Sie suchen also die Heimat die nicht mehr existiert. 

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